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Die dritte Phase des New York Skyscrapers begann in den 1950er Jahren, als nach dem gewonnen zweiten Weltkrieg der american way of life weltweit seinen endgültigen Siegeszug antrat. Die neuen Hochhäuser wurden zuerst in Midtown gebaut, bald gefolgt vom Lower Manhattan Business District , der die alte Konkurrenz wiederaufnahm. Die Neubauten entstanden teils als Ersatz älterer, teils auf durch Aufschüttung gewonnenem Neuland. Der zuvor in der Stadtsilhouette noch als Solitär wirkende Skyscraper begann durch Verdichtung seine Eigenständigkeit zu verlieren und wurde Teil stadtteilgroßer, verdichteter Cluster mit blockhafter Fernwirkung. Erste und bedeutendste Gebäude waren das Lever Building (1952) und das 1958 fertig gestellte Seagram Building (vgl. Abschnitt weiter unten), bei denen die alte Bindung an den Block aufgegeben wurde und diese als freigestellte Objekte erscheinen. Erneut wurde das glatt aufsteigende Volumen zum Leitbild.1961 wird als Reaktion auf diese neue Entwicklungen eine neue Bauordnung, die "Zoning Resolution" verabschiedet, bei der nun 40% der Grundstücksfläche unbegrenzt hoch bebaut werden durften, wenn Teile des Grundstücks unbebaut blieben und durch Plazas oder Atrien dem öffentlichen Gebrauch zugänglich wurden. Im Wesentlichen waren dafür drei Gründe ausschlaggebend: zuerst ökonomische, zwecks höherer Ausnutzung der Flächen, dann ökologische durch die neue Klimatechnik, wodurch die Gebäude im Inneren unabhängig vom äußeren Klima wurden. Und zuletzt ästhetische, da erneut das ungegliedert aufsteigende Volumen an die Stelle der älteren Massenkomposition trat.(1)
Endpunkt und Abschluss bildeten die Zwillingstürme des World Trade Centers mit 411 Metern im Jahre 1972. Die Twin Towers blieben aber nur kurz das höchste Gebäude der Welt, wurden bald überflügelt vom Sears Tower in Chicago (422m). Chicago nahm im ewigen Wettkampf beider Städte wieder die Spitzenposition ein. In der Krise der 1970er Jahre, die New York City beinahe ruinierte, endeten zugleich goldenes Zeitalter des Amerikanismus wie Hochzeit des amerikanischen Skyscrapers. Zwar ist das Hochhaus nach wie vor Thema amerikanischer Stadtarchitektur, die daran geknüpften Erwartungen sind aber endgültiger Ermüdung gewichen.
Das 1952 fertig gestellte Lever Building von Skidmore, Owings und Merril stand am Anfang und wies insgesamt nur 24 Geschosse auf. Demonstrativ wendet sich der Bau mit seinen glatten Oberflächen von der Straße ab, die Bindung an den Block ist aufgehoben, das Gebäude als Solitär freigestellt. Auf einem nahezu quadratischen Grundriss erhebt sich ein zweigeschossiges Sockelgeschoss, über dem seitlich eine insgesamt 94 Meter hohe Scheibe aufsteigt. Die Eingangsebene ist durch Pilotis aufgeständert und bildet ein offenes Atrium, wodurch der öffentliche Raum von der Straße ins Gebäude gezogen wird. Im nackten Curtain Wall zeigt sich die nicht mehr ganz neue, letztendlich aus Europa übernommene Gestaltungsweise, die man in den USA seit Philipp Johnsons MoMA-Ausstellung 1932 International Style nannte. Die Trennung von innerem Stahlskelett und vorgehängter Glasfassade wird ausgestellt. Stur überzieht das Fassadenraster Sockel wie Scheibe, differenziert wird nur in eine opake, grüne Brüstungszone sowie den transparenten Glasbereich. Letzte Referenz an den älteren Manhattan Skyscraper ist die Trennung in einer breite Sockelzone, über eine Fuge abgesetzte Fassadenzone sowie die in den durchlaufenden Vertikalen der oberen Geschosse noch aufscheinende Dachzone.
Abb. 2: Seagram Building von Mies van der Rohe und Philip Johnson im Schatten seiner späteren Nachbarn.
Auf die Spitze getrieben wird der zugleich edel-perfektionistische wie reduziert-rationalistische Objektcharakter der dritten Phase im 1958 von Mies van der Rohe iund Philip Johnson errichteten Seagram Building. Das freistehende Volumen steigt völlig ungegliedert auf und wird durch eine steinerne, durch Stufen abgehobene Plaza vom Straßenraum zugleich separiert und wieder angebunden, was den auf Unnahbarkeit und Würde kalkulierten Charakter des Bauwerks unterstreicht. Auch die Binnengliederung der Fassade gibt sich klassisch. Während feinplastisch bronzierte Vertikalprofile in der mittleren Fassadenzone aufsteigen, ensteht durch fehlende Untergliederungen oben und unten eine Sockel- und Dachzone. Die an Schinkel geschulte Klassik Mies' zeigt sich auch im inneren, symmetrischen Aufbau der Lobby. Wie kein anderer Bau Manhattans verkündet das Seagram Building: I AM AN MONUMENT. Europa und dessen aseptisch-klarer Rationalismus hatte endgültig in Manhattan Einzug gehalten. Der alte, vielleicht faule Zauber mit all seinen Illusionen und Verlockungen war Vergangenheit. Was danach folgte war nur noch schaler Abklatsch bis hin zu den postmodernen Verirrungen, für die besipielhaft das AT&T-Building mit seinen ausgestellt unernsten Zitaten steht (1979-84 von Philip Johnson und John Burgee).
Abb. 3: Auf Mies'sche Architektur bezogene, ironisierende Skizze von Robert Venturi in Learning from Las Vegas.
RESUMEE
New York, die Hauptstadt des 20. Jahrhunderts, einst Objekt heftigster Angriffe wie romantischer Verklärung hat seine Strahlkraft verloren, ist nun selbst historisch geworden. Nichts deutlicher zeigt dies der Blick von außen, von Europa. Als Erich Mendelsohn die Stadt in den 1920ern besuchte, befand sich der Manhattanismus gerade in seiner Blütezeit. Mendelsohns suggestives und bildstarkes Buch "Amerika. Bilderbuch eines Architekten" legt Zeugnis ab von gleichzeitigem Erschrecken und Faszination in dieser Zeit großer Erwartungen. Ähnlich Corbusier, der Manhattan vorwarf, noch nicht wirklich modern zu sein und sich an der Stadt abarbeitete. Seine zugleich größenwahnsinnige wie entsetzlich langweilige ville radieuse von 1935 war der Versuch eines Anti-Manhattans, das Paris, die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, in ein Nichts verwandelt hätte, wenn seinem Drängen nach einer neuen, wirklich konsequenten Hausmannisierung nachgegeben worden wäre.Abb.4: Cover der amerikanischen Ausgabe von Mendelsohns "Amerika".
Rem Koolhaas Delirious New York war in Wirklichkeit bereits ein Dokument melancholisch gefärbter Rückschau mit der vagen Hoffnung auf Wiederbelebung. Beides, europäischer Rationalismus der Heroischen Moderne, für den NYC ein chaotisches Gräuel war, wie amerikanischer Pragmatismus, der Kommerz und Ware verherrlicht und darüber ein ganz seltsames Dokument des Eigensinns, den Manhattanismus schuf, waren Mitte der 1970er Jahre unwiederbringlich Vergangenheit.
Das Interesse an der Gegenwart und ihren auf Stadt und Territorium wirkenden Kräften ist weitergewandert. Vor allem in die Städte des mittleren und des fernen Osten wird beides gesucht: die Stadt ohne Eigenschaften als Brutstätte des Unerwarteten wie das Besondere bzw. Eigene der Stadt der Gegenwart, die einigen gerade als Produkte der Globalisierung gilt.(2)
(1) Flierl, Bruno: Hundert Jahre Hochhäuser. Hochhaus und Stadt im 20. Jahrhundert, Berlin 2000, S. 65f.
(2) Die Gegenthesen vertreten dabei Rem Koolhaas in seinem Essay The Generic City von 1994 (Koohaas, Rem: The Generic City. In: O.M.A., Rem Koolhaas und Bruce Mau: S,Ml;XL, Rotterdam 2001, S. 1238-1268 ) und die außerordentlich faszinierende Untersuchungsreihe des Studio Basel der ETH Zürich zur Stadt der Gegenwart: http://www.studio-basel.com/home.html.
Abbildungsnachweis:
Abb.1: Photo des Verfassers Juli 2009.
Abb. 2: Photo des Verfassers Juli 2009.
Abb. 3: http://www.google.de/imgres?imgurl=https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj75iyl6Zx3kWXPWpa4TDEtryVaQK6bMBTQXmP8LJLi8MCuU_r5pdCzLXWjl-CrpAq6Vm7nhiWa6rbqk8GOS7sxyabY6d-XiS6oWSPNrnIfs7y7_0gQ2dw25RqxL7_j8NA_KsmOWkoKquQ/s400/i_am_a_monument.jpg&imgrefurl=http://edwardlifson.blogspot.com/2009_12_01_archive.html&usg=__DnxqiJpbFZF0OOYwkEeIqgz42xE=&h=320&w=320&sz=20&hl=de&start=14&zoom=1&um=1&itbs=1&tbnid=60p2eSPpWLXnbM:&tbnh=118&tbnw=118&prev=/images%3Fq%3DI%2Bam%2Ban%2Bmonument%2Blearning%2Bfrom%2Blas%2Bvegas%26um%3D1%26hl%3Dde%26sa%3DN%26tbs%3Disch:1&ei=wbRFTfPBFcX4sgaflfHrDQ
Abb. 4: http://covers.openlibrary.org/b/id/1255234-L.jpghttp://covers.openlibrary.org/b/id/1255234-L.jpg
Weblinks:
http://www.columbia.edu/cu/gsapp/BT/LEVER/lever.html
http://www.som.com/content.cfm/lever_house
http://www.bauhausarchitektur.info/rfcmsart26.html
Literaturauswahl:
Flierl, Bruno: Hundert Jahre Hochhäuser. Hochhaus und Stadt im 20. Jahrhundert, Berlin 2000, S. 60-83.
Koolhaas, Rem: Delirious New York. Ein retroaktives Manifest für Manhattan, 2. deutsche Auflage, Aachen 2002 (=Arch+ Buch 1).
Mendelsohn, Erich: Amerika. Bilderbuch eines Architekten, Berlin 1926.
Stern, Robert A. M.: Die Erbauung der Welthauptstadt. In: Klotz, Heinrich (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit Luminita Saban: New York Architektur 1970-1990 [Ausst.-Kat.], Frankfurt/Main 1989, S. ###-###.
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