Der Wettbewerb zum Stadtschloss Berlin ergab das befürchtete Desaster. Die politisch gewünschte Vorgabe, Kubatur und drei Fassaden zu rekonstruieren, Inneres und die vierte Fassadenseite zur Spree aber in zeitgenössischen Formen zu gestalten, gebar einen zwittrigen Hybridbau. Alle Beiträge sind notwendigerweise an diesem Widerspruch zwischen Form und Inhalt gescheitert. Ein barocker Herrschaftsbau lässt sich, wie oftmals mit Erfolg nachgewiesen, zu einem Museum umnutzen, ein zeitgenössisches Museum hingegen lässt sich nicht mit barocken Formen drapieren, so hehr auch die Motive sein mögen. Der Sieger Franco Stella, dessen Vorschläge zweifelsohne die am wenigsten schlechten waren, versuchte die Vereinigung der Widersprüche durch trocken knasterndes Rasterwerk und einfach-logische Raumfolgen. Damit ganz Kind des italienischen Rationalismus, der sich historisch vor allem mit Aldo Rossi verbindet, dem Verkünder der analogen Stadt in den 1960er Jahren. Besseres als ein Rekurs auf diese Tradition war unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich. Eine Tradition, die hier aber fehl am Platze war, denn es ging nicht um ein Weiterbauen an der bestehenden Stadt, ein Arbeiten an der hier nicht wiederherstellbaren urbanen Permanenz, sondern um die Wiedergewinnung des Ensembles aus Schlüters Stadtsschloss(erweiterung), Schinkels Neuem Museum und dem neubarocken Deutschen Dom. Dieses Ensemble hätte tatsächlich einer besseren Komplettierung als dem abgerückt stehenden Palast der Republik bedurft, der einen zu grossen Platz öffnete, gedacht als zentraler Aufmarschplatz der Hauptstadt der DDR. Zur Behebung dieses Mangels wären aber zeitgenössische Lösungen deutlich statthafter gewesen, die eine Einbeziehung des Palastes durch weitere Baukörper in das stadträumliche Kontinuum zur Aufgabe gehabt hätten. Geschichte als Geschichtetes wäre ablesbar geworden, als örtliches Nebeneinander von ungleichzeitig Entstandenem. Dem stand das Bedürfnis nach einem einheitlichen Geschichtsbild entgegen. Deutschland zeigt Willen, direkt wieder an Preussen anzuknüpfen, aber jenseits der Nostalgie soll die Investition schon nutzbar sein. Ein Sieg des Kompromisses aus nostalgischem Traumbild und Investorenlogik über den authentischen Quellencharakter von historischer Stadt und Bauwerk.
Abb 1:
Wettbewerbsbeitrag von Franco Stella
Der Wettbewerb zeigt damit deutlich die Instrumentalisierung der Rekonstruktion bei der Produktion von Geschichtsbildern und verweist damit auf Grenzen der Möglichkeit von Rekonstruktion. Bei der Dresdner Frauenkirche, bezeichnenderweise einem Sakralbau, mochte man für diese Rekonstruktion noch stichhaltige Gründe aufbringen. Der von Bähr 1726 zwischen 1743 errichtete Bau war ausserordentlich bedeutend, ein barocker Schlüsselbeitrag zum Zentralbautyp, zudem städtebaulich ein prägender Leitbau in der barocken Stadtsilhouette. Auch erforderte das Programm keine Verrenkungen. Ein barocker Sakralbau ist auch heute als solchiger nutzbar. Erst im Umfeld der Frauenkirche zeigt sich wieder die gleiche ineinander verschränkte Logik von Investoreninteresse und aufs Bildhafte verkürztem Geschichtsbedürfnis. Hier entstehen barockisierende Bürgerhausfassaden, hinter denen sich moderne Eigentumswohnungen mit Tiefgarage verstecken. Selbstredend wurden beim Wiederaufbau teilweise mittelalterliche Keller den Neubauten geopfert. Nicht Geschichte wird hier zu ihrem Recht verholfen, sondern es entsteht ein ganz eigener Beitrag zum aktuellen lifestyle urbanism. Während aber spanish finca und german townhouse in den Neubaugebieten von Dubai und Anting noch statthaft sein mögen, vernichtet die auf reine Bildwirkung zielende Rekonstruktion in Dresden, Berlin und anderen Altstädten die Möglichkeit der Aneignung von Geschichte als Ablesbarkeit von Prozessen. Inhalt wird durch den Wunsch nach reiner Form vernichtet.
Abb. 2 und 3:
Zeitgenössisches Wohnen hinter neualter Fassade
(Erstveröffentlicht in meinem ersten Bloggingversuch, Januar 2009)
http://sepruf09.wordpress.com/2009/01/25/stadtschloss-berlin-grenzen-der-rekonstruktion/
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