Samstag, 14. November 2009

NYC- New Apartment Houses

-40MercerStreet&40BondStreet-

Das Loft war einer der bestimmenden Haustypen im Nordosten der älteren Kolonialstadt gelegenen Gebiete SoHo/NoHo (South bzw. North of Houston Street), die stark von Industrie geprägt war. (1) Viele der im Cast Iron Style gehaltenen Gebäude standen nach dem Niedergang der Textilindustrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts leer, da viele der in Hinterhofproduktion betriebenen Sweat Shops im Laufe des 20. Jh. unrentabel geworden waren. Die Wiederbelebung des Quartiers begann in den 1960er/70er Jahren, als die billigen Lofts von der Boheme entdeckt wurden. Am Ende des unausweichlichen Gentrificationsprozesses stand der Neubau von Luxus-Apartments, da die Bubble-Ökonomie der letzten beiden Jahrzehnte im wichtigsten Finanzzentrum der Welt den ständig Bedarf für urbanes Wohnen im Hochpreissegment schuf. Mittlerweile versuchen sich auch europäische Architekten aus dem globalisierten Star-System an der Neuinterpretation des Bautyps, der heute auch als Condominium bezeichnet wird. Die beiden Gebäude 40 Mercer Street (Jean Nouvel) und 40 Bond Street (Herzog & de Meuron) sind daneben auch Fallbeispiele für die Möglichkeiten Neuen Bauens in alter Umgebung unter den Bedingungen des derzeit wohl derzeit zu Ende gehenden Neoliberalismus.

40 Mercer Street wurde zwischen 2005 und 2007 an Stelle eines ehemaligen Parkplatzes auf einem Eckgrundstück errichtet. Die Baumassen des Gebäudes gliedern sich in eine fünfgeschossige Sockelzone und einen aufgesetzten, achtgeschossigen, turmartigen Schaft, der dreiseitig zurückspringt. Durch die Zweiteilung der Baumassen wird nicht nur der Bezug zur durch Maßstabssprünge gekennzeichneten Umgebung gesucht, es entsteht auch ein hochwertiger Außenraum für die Bewohner. Das Gebäude ist von der benachbarten Brandwand abgesetzt, visuell aber durch die durchgezogene Glasfassade mit dem Bestand verbunden. Neben der Individuierung des Gebäudes dient dies auch der Schaffung der Tiefgaragenzufahrt und der fußläufigen Haupterschließung. Die Fassaden sind durchgehend verglast, was heute heute üblicher Standard ist und keinen Unterschied zum Bürogebäude erkennen lässt. Die fein detaillierte Stahl- und Glasfassade ist an den gestapelten Bauteilen unterschiedlich. Im Sockelgeschoss basiert deren Untergliederung auf nahezu quadratischen, geschoßhohen Modulen. Die feinplastische Rhythmik aus unterschiedlich breiten Vertikalelemente und der Wechsel zwischen offenen und geschlossenen Profilen nimmt das Thema der vorgesetzten Gusseisenstützen der umliegenden Cast Iron Fassaden auf. Am oberen Turmbereichs sind die seriell angeordneten Rasterfeldern dagegen liegend rechteckig. Die symmetrisch beidseitig an der Längsseite angeordneten, geschoßhohen Schiebefenster beleben durch ihre veränderbare Stellung die Fassade. Das Gebäude nimmt insgesamt 42 großzügige Apartments auf.

Abb.1
40 Mercer Street, Ecke Broadway, Architekt: Atelier Jean Nouvel, Paris.

40 Bond Street von Herzog und De Meuron ordnet sich dagegen in die Straßenwand ein. Wie bei Nouvels Bau sind die Baumassen nach oben gestaffelt. Der in Straßenflucht liegende, untere Teil ist fünfgeschossig, der zurückspringende Teil viergeschossig, wodurch wiederum eine gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse entsteht. Direkt von der Straße können die in Art des row houses durchgesteckten, zweigeschossigen Apartments durch einwärts geknickte Vorplätze erschlossen werden. Rückwärtig liegen sparsam begrünten Privatgärten. Die vorgelagerten, zu feinen Gespinsten verdichteten Aluminiumeinfriedungen nehmen Bezug auf die in New York allgegenwärtigen Tags der Sprayer- und Hip-Hop-Kultur. In den unteren Geschossen sind jeweils drei Wohnungen angeordnet, wobei nur die äußeren beidseitig belichtet sind. Die geschoßweise je zwei Obergeschosswohnungen werden über einen zentralen Treppen- und Aufzugskern erschlossen. Nach außen bildet sich die Stapelung der Geschosse und das in unterschiedlichen Abständen angeordneten Stahlbetonstützen des Tragwerks ab. Diese Tragstruktur wird durch vorwölbende polierte Stahlbleche abgedeckt, die von ebenfalls gewölbtem grünlich schimmerndem Glasprofilen überdeckt werden, was Assoziationen an die umliegende Cast Iron Architektur weckt.
Abb.2 und 3
40 Bond Street, Fassade und Detail. Architektur: Herzog & de Meuron, Basel.


Die Unterschiede zwischen beiden Architekturen liegen in der Herangehensweise an das Bauen im historischen Kontext. Nouvels Gebäude ist von minimalistischer Zurückhaltung gekennzeichnet, die sich dezidiert zeitgenössisch gibt, ihre Bezüge zum Kontext aber deutlich ausstellt. Die in der Umgebung vorhandenen Materialität und die Prinzipien der dortigen Konstruktionsweise werden aufgegriffen und in zeitgemäßen Formen interpretiert. Die wichtigste Referenz des zurückhaltend eingepassten Baukörper ist die Modularität und Proportion der Nachbargebäude. Dagegen lebt der Bau von Herzog und de Meuron von der Einfühlung in den Kontext, dessen Eigentümlichkeiten transformierend aufgenommen werden. Dies beginnt mit der Kombination der historischen Row-House-Typologie mit den aufgesetzten Geschosswohnungen und setzt sich mit den Anklängen an Motive der Cast Iron Architektur fort, die aber anders als bei Nouvel verfremdet wird. Deren rationale, in historistische Formen gekleidete Tektonik aus tragenden und lastenden Elementen wird zum bauchig gewölbten und irisierend schimmernden Raster, dessen Gleichförmigkeit aber gleichzeitig durch die willkürlich unterschiedlichen Breiten der Einzelmodule gebrochen wird. Gleiches gilt für die nobilitierten Oberflächen in den öffentlich einsichtigen Bereichen und in den Erschließungszonen. Diese werden ornamental mit digital erzeugten Mustern tätowiert. Die hier zum Ausdruck kommende Neue Oberflächlichkeit in der Architektur von Herzog und de Meuron mit ihrer demonstrativen Beschäftigung mit ungewohnten und verfremdeten Materialitäten setzt auf das Überraschende als Gegenpol zum Rationalen und Erwartbaren, für dessen Verfeinerung Nouvels Architektur in der Mercer Street steht.

(1) vgl. Stadtlektüre New York 5

Abbildungsnachweis:
Abb.1: Foto des Verfassers 2009
Abb. 2: Foto des Verfassers 2009
Abb. 3: Foto des Verfassers 2009

Weblinks:
http://www.40mercersoho.com/
http://www.40bond.com/

Literatur:
Adam, Hubertus: Transformation des Rasters. In: Archithese (2008), H. 1, S. 12-17.
Wheeler, Bradley: 40 Mercer Street, New York City - Ein Pariser in New York. In: Architektur Aktuell (2008), H. 344, S. 70-81.


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