-AUFSTIEG UND EXPANSION-
Nicosia ist ein Latecomer des Mittelalters. Trotz zentraler Lage in der Mesaoria-Ebene stieg die Stadt erst spät zur bedeutensten Stadt Zyperns auf. Zwar finden sich erste Siedlungsspuren im heutigen Stadtgebiet bereits in vorgeschichtlicher Zeit und auch unter dem antiken Name Ledra oder Lidra existierte bereits in hellenistischer und römischer Zeit eine unbedeutende Kleinstadt. Aber erst im ausgehenden ersten Jahrtausend kam es zu einer Bedeutungsverlagerung innerhalb des zypriotischen Städtesystems, als Häfenstädte wie Paphos oder Salamis wegen ihrer Küstenlage in der Zeit der islamischen Expansion des 6. bis 8. Jahrhunderts an Einfluß verloren. Byzanz musste weite Teile seines Territoriums an die Araber abgeben. Zypern allerdings wurde nicht dauerhaft erobert, doch Überfälle und Plünderungen führten dazu, dass ein Gutteil der Küstenbewohner ins vermeintlich sicherere Hinterland floh. Diese Lagegunst machte Nicosia im 9. oder 10. Jahrhundert zur Hauptstadt, wenn auch die Hafenstadt Famagusta nahe des antiken Salamis bis in die beginnende Neuzeit die bedeutendere Stadt blieb.Mit der militärischen Expansion zentraleuropäischer Mächte infolge der Kreuzzüge rückte das bislang abseits gelegene Zypern dann in eine zentrale strategische Position. 1191/92 etablierte sich mit der Ankunft Richard Löwenherz' infolge des dritten Kreuzzuges ein katholischer Kreuzfahrerstaat, den die französische Lusignan-Familie mit einem Königtum als Lehen erhielt. Eine kleine westlich-katholische Oberschicht übernahm die Macht über die orthodox gebliebene Bevölkerungsmehrheit, deren bis zur osmanischen Besetzung 1571 anhaltende Herrschaft daher als lateinische oder fränkische Zeit bezeichnet wird. Aus der bis heute im Griechischen Lefkosa genannten Stadt wurde das romanisierte Nicosia.
Vom Niedergang der Kreuzfahrerstaaten, von denen sich allein Zypern bis ins 15. Jahrhundert halten konnte, profitierten zuerst die oberitalienischen Adelsrepubliken Genua und Venedig. Die Insel blieb im Blickpunkt konkurrierender Mächte, da strategisch äußerst wichtig für den seit dem Spätmittelalter expandierenden Orienthandel. Nicosia wurde mehrfach geplündert und zerstört, so von christlichen Genuesern und islamischen Mameluken. 1489 fiel Zypern dann an Venedig, dessen Herrschaft aber infolge der osmanischen Expansion 1570/71 endete.
Abb. 1:
Mittelalterliche Stadtstruktur und rezenter Bestand innerhalb des venezianischen Mauerrings.
Bald nach der Etablierung des neuen Kreuzfahrerstaats war in Nicosia ein großzügiges, aber unregelmäßiges Stadtmauersystem abgesteckt worden, innerhalb dessen die zukünftige Stadtentwicklung stattfand. Die Befestigungen wurden sukzessive ausgebaut, die Turmtore wurden 1383 infolge der zunehmend unsicheren Lage verstärkt. Wahrscheinlich war das Stadtgebiet in den folgenden Jahrhunderten nur weitläufig und partiell bebaut. Gesicherte Aussagen über das Straßen- und Bebauungssystem sind, bedingt durch die Überformung späterer Jahrhunderte, nicht möglich, so dass nur einzelne bedeutende Sakral-, Monumental- und Wohnbauten Auskünfte bezüglich des städtischen Gefüges geben.
Im 13. Jahrhundert entstand der erste herrschaftliche Palastbau im südlichen Stadtzentrum, mit denen die Lusignans ihre Herrschaft dokumentierten. Es folgten zwei weitere, wobei der dritte Bau auch den späteren Herrschern als Gouverneurspalast diente und erst 1904 durch einen Neubau ersetzt wurde. Bei den Kirchen und Klöstern war ein Nebeneinander von orthodoxen und katholischen zu verzeichnen. Letztere waren an Ausdehnung und Größe deutlich dominierend. Zu nennen ist hier vor allem die Sophienkathedrale (1209-1228, heutige Selimiye Moschee), eine deutlich von der französischen Gotik beeinflusster, dreischiffiger Bau mit vorgelagerter, dreijochiger Eingangshalle und drei Portalen. Daneben sind aber auch die Nikolauskirche (heutiger Bedestan, ehemalige Metropolitankirche der zypriotisch-orthodoxen Kirche) und die Katharinenkirche (heutige Haidar Pascha Moschee) zu nennen.
Auf dem Gebiet der Wohnbauten sind nur von denen der Oberschichten einige überliefert. Von besonderem Interesse ist das so genannte Lusignan-Haus, ein Adelshof des 15. Jahrhunderts. Der zweigeschossige Steinbau mit Innenhof wird über ein spitzbogiges Portal erschlossen. Die Fassade ist unregelmäßig, durch spätere Umbauten- und Hinzufügungen ist das Haus partiell überformt. Die Wohngebiete der katholischen Oberschicht konzentrierten sich wohl im zentralen Norden der Stadt um die Kathedrale. Nach der Eroberung durch die Osmanen wurden deren Wohngebiete weitgehend durch die neue, osmanische Oberschicht übernommen.
Abb. 2:Im 13. Jahrhundert entstand der erste herrschaftliche Palastbau im südlichen Stadtzentrum, mit denen die Lusignans ihre Herrschaft dokumentierten. Es folgten zwei weitere, wobei der dritte Bau auch den späteren Herrschern als Gouverneurspalast diente und erst 1904 durch einen Neubau ersetzt wurde. Bei den Kirchen und Klöstern war ein Nebeneinander von orthodoxen und katholischen zu verzeichnen. Letztere waren an Ausdehnung und Größe deutlich dominierend. Zu nennen ist hier vor allem die Sophienkathedrale (1209-1228, heutige Selimiye Moschee), eine deutlich von der französischen Gotik beeinflusster, dreischiffiger Bau mit vorgelagerter, dreijochiger Eingangshalle und drei Portalen. Daneben sind aber auch die Nikolauskirche (heutiger Bedestan, ehemalige Metropolitankirche der zypriotisch-orthodoxen Kirche) und die Katharinenkirche (heutige Haidar Pascha Moschee) zu nennen.
Auf dem Gebiet der Wohnbauten sind nur von denen der Oberschichten einige überliefert. Von besonderem Interesse ist das so genannte Lusignan-Haus, ein Adelshof des 15. Jahrhunderts. Der zweigeschossige Steinbau mit Innenhof wird über ein spitzbogiges Portal erschlossen. Die Fassade ist unregelmäßig, durch spätere Umbauten- und Hinzufügungen ist das Haus partiell überformt. Die Wohngebiete der katholischen Oberschicht konzentrierten sich wohl im zentralen Norden der Stadt um die Kathedrale. Nach der Eroberung durch die Osmanen wurden deren Wohngebiete weitgehend durch die neue, osmanische Oberschicht übernommen.
Nikosia ca. 1570 in einem Stich von G.F. Camocio.
-KONZENTRATION UND OKKUPATION-
Als Venedigs begann, den Großteil seiner Besitzungen im östlichen Mittelmeer an die Osmanen zu verlieren, wurde seit Mitte des 16. Jahrhunderts versucht, den Außenposten Zypern durch umfangreiche Befestigungsarbeiten der Städte Famagusta und Nicosia zu sichern. Das weitläufige Stadtgebiet wurde auf einen kreisrunden Ring aus elf Bastionen konzentriert, wobei ein Teil der Bebauung infolge der Schanzarbeiten abgebrochen wurde. Auch wurde begonnen, den die Stadt durchziehenden Fluss in den Aussenbereich zu verlagern und die Bastionen zu fluten. Auf zeitgenössischen Darstellungen ist zu erkennen (vgl. Abb. 2), dass Nicosia, im Gegensatz zu Famagusta, nur partiell und unregelmäßig bebaut war. Ein Anzeichen, dass die Stadt zwar politisches Zentrum war, aber von der Bedeutung hinter Famagusta zurücktrat.Venedigs Bemühungen waren bekanntlich nicht von langem Erfolg gekrönt. Mit der 1571 erfolgten Landung der Türken endete nach kurzen Kämpfen und Belagerung die lateinische Herrschaft auf Zypern, deren feudale Oberschicht wurde getötet oder vertrieben. Die bald im Land angesiedelten türkischen Siedler traten neben die griechische Mehrheit, eine der Ursachen für den dann im 20. Jahrhundert eskalierenden Zypernkonflikt.
Abbildungsnachweis:
(1) Karte der mittelalterlichen Stadtstruktur nach Keshishian, Kevork: Capital of Cyprus. Now and then, 2. Aufl., Nicosia 1990. Grafik des Verfassers 2010.
(2) Stich von Giovanni Francesco Camocio, um 1570. Abb. in: Stylianou. Andreas und Judith A. Stylianou: The history of the cartography of cyprus, Nicosia 1980 (=Publications of the cyprus research centre VIII), S. 224.
Literaturauswahl:
Keshishian, Kevork: Capital of Cyprus. Now and then, 2. Aufl., Nicosia 1990.
Fiene, Eckart: Lefkosa - Nicosia-. Geschichte und Sehenswürdigkeiten, Hannover 1994.
Wellenreuther, Ronald: Nikosia-Nord (Zypern). Stadtentwicklung und Sozialraumanalyse einer geteilten Stadt zwischen Orient und Okzident, München 1996 (=Wirtschaft und Gesellschaft in Südosteuropa 12).
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