-Haus Settari-
Ein Weekendhaus am Vorabend des neuen bauens. Noch zwischen Bauernstube und expressionistischer Zackengotik, ganz Kind seiner konfliktträchtigen Zeit, in der Südtirol gerade an Italien gefallen war. Der aus München stammende und vorwiegend in Nordtirol tätige Architekt Lois Welzenbacher hat den kleinen Bau 1922/23 auf eine Waldlichtung unterhalb des Hotels Briol für die aus Bozen/Bolzano stammende Mimi Settari errichtet. Deren Eltern hatte zuvor für ihre reiche Kinderschar beinahe den ganzen Hang erworben und auch das oberhalb gelegen Hotel Briol, 1928 von Hubert Lanzinger in seine heutige Form gebracht, ist bis heute im Familienbesitz.Abb. 1 und 2:
Aufmaszskizzen Grundriss und Ansicht West.
Das kleine Haus auf asymmetrisch zusammengesetztem Grundriss entwickelt sich aus einer Spiralbewegung um die Herdnische. Die Bewegung beginnt vor dem Untergeschoss am Hang, schwingt über die Freitreppe ins Haus, setzt sich dort um den Herd fort, läuft ins Obergeschoss, wo sie auf dem Balkon endet, der endlich den Panoramablick gewährt, den das Haus zuvor verweigert. Denn Fenster und Freisitz zeigen nur Ausschnitte. Aber es gibt auch gegenläufige Tendenzen zum Statischen, denn der Grundriss, der aus einer Verschränkung von zwei gegeneinander verdrehten Quadraten entwickelt ist, sperrt sich gegen die Flüssigkeit der Bewegung. Ebenso die Schwere des weiß verputzten Mauerwerks mit seinen inszenierten und inszenierenden Fensternischen. Durch das hohe Zeltdach steigert sich der Bau ins beinahe unwirklich Kulissenhafte, dessen expressionistisches Pathos noch ganz von den malerischen Grundsätzen der Landhausarchitektur der Vorkriegszeit bestimmt wird. Beinahe wirkt es als überzeichnende Verfremdung oder ironischer Kommentar zu den nahezu zeitgleichen Wohnhäusern der Stuttgarter Schmitthenner und Bonatz, die pflegten, ihre Kaffeemühlen bar jeder inneren Distanz mit allerlei Würdeformeln auszustaffieren, so als sei ein Wohnen im Herrenhaus damals noch möglich gewesen.
Trotz all der Manieriertheit und dem Willen zur Wirkung kann man am Haus Settari einiges über die Wirkung von Masse und Bewegung lernen, über die Möglichkeit des Formalen trotz Knappheit und Beschränkung. Die Architektur zeigt, dass am Anfang des Neuen Bauens weitere Möglichkeiten gab. Möglichkeiten, die von den Propagandisten der klassischen Moderne bestenfalls zu Vorbereitern erklärt wurden. Wenn auch heute die Architektur der empirische Form als Erweiterung des trockenen Rationalismus längst wieder akzeptiert ist, mit der vor allem die kokettieren, denen nichts einfällt, so hilft doch ein Blick zurück, die Gefahren zu vergegenwärtigen, die drohen, wenn man bei der Formfindung sich mehr auf seine Intuition verlässt als auf die Forderungen der Notwendigkeit. Und wie man diese Gefahren umgeht.
Abb. 3:
Ansicht vom Hang (Osten).
Abbildungsnachweis:
Abb.1 und 2: Skizze des Verfassers September/Oktober 2010
Abb. 2: Foto des Verfassers, September 2010
Weblinks:
http://www.briol.it/
http://www.nextroom.at/article.php?article_id=4810
http://diewerkbank.com/2009/08/05/sommer-in-den-bergen______________/
Literatur:
August Sarnitz: Lois Welzenbacher – Architekt. 1889-1955, Salzburg 1989.
Susanne Ranalter: Lois Welzenbacher im Einfluß von Zeitgeist und Zeitgenossen. Die Wohnhausbauten von 1919-1932. Diss., Wien 1998.
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