Sonntag, 28. November 2010

Ohne Autor

Vorbemerkung:

Eine Tendenz scheint verbreitet bei jüngeren Architekturbüros, was bei zwei Werkberichten in Coburg (Dienstagsreihe) auffiel:
erklärter, programmatischer Verzicht auf eine eigene, besonders gefärbte persönliche Handschrift bei der eigenen Arbeit. Kein Stil, keine Wiedererkennbarkeit. Widerwille, genährt aus dem Ekel vor dem weltweit überall gleichen auf Effekt zielenden Formenfasching, der von den großen Architekturfabriken und ihren bis in die Provinzen nacheifernden Adepten produziert wird.
Dagegen: Jedes Projekt wird neu aus den Anforderungen und Bedingungen entwickelt. Immer ein Neuanfang, Schritte ins Unbekannte. Der Autor nimmt sich anfangs zurück, beginnt die Arbeit als Ordner verschiedener, oft widersprüchlicher Ansprüche. Dieser Pragmatismus ist aber nicht ausgestellte, neue Bescheidenheit, sondern Fortbewegungsmittel, das einen überall hinbringen kann. Auch zum ausdrucksvoll ausgestellten Experiment, das aber dann Resultante eines Wegs ist und nicht von vorneherein an die Sache herangetragener Formwille.


Bez und Kock, Stuttgart (Werkbericht 16.11.2010)

Schöne Projekte, jedes anders und doch wie durch ein geheimes Band zusammengehalten. Besonders erwähnenswert ist die spannungsreich zu Ketten zusammengefasste Bebauung aus wechselnd zwei- und dreigeschossigen Elementen auf quadratischem Grundriss für ein Studentenwohnheim in Hof. Bekannte Bauaufgabe mit überraschendem Resultat. Ebenso interessant wirkt das XLAB - Göttinger Experimentallabor für junge Leute in Göttingen durch gegeneinander versetzte, gleiche Ebenen sowie die abgehängte Konstruktion. Dagegen massiv, aber nicht schwerfällig die bislang Fragment gebliebene neue Ortsmitte mit Bürgerhaus in Poing. Besonders wirksam der steinmetzmäßig gestockte und durchgefärbte Sichtbeton.
Am Schluss stehen Wettbewerbsbeiträge zum Deutschen Generalkonsulat in Jekatarinenburg (RUS) bzw. die deutsche Botschaft in Maskarat/Oman. Hier werden allerdings auch die Gefahren der neu-pragmatischen Herangehensweise deutlich, als der Vorwurf einer gewissen Schwere aus dem Publikum an die Entwürfe gestellt wird. Da die Anforderungen an das Gebäude als gegeben akzeptiert werden, wird auf die Bauaufgabe nur wenig reflektiert. Eine Botschaft soll nun mal repräsentieren, was dann beinahe zwangsläufig zu einer gewissen Monumentalität, Schwere und Verwendung eingeführter Würdeformeln führt. Auf Autorenschaft pochender Architektur wäre das in ihrer Glanzzeit so wohl nicht untergekommen, weil sie von einem äußeren Standpunkt auf die Bauaufgabe schaut. Vielleicht haben sich aber auch nur die Erwartungen der Politik an Staatsarchitektur geändert.

Fischer Architekten, München (Werkbericht 2.11.2010)

Ein leiser, ein angenehmer Auftritt, die Projekte ebenso. Architektur, in der alle Aspekte wie Nutzung, Form und Konstruktion gleichrangig zu ihrem Recht kommen. Nicht, dass hier nicht mit kalkulierten Wirkungen gearbeitet würde, aber das Auftreten ist nicht donnernd. Im Mittelpunkt steht die Sache, die Inszenierung wird gleichsam von außen aufgebaut, um erstere deutlicher hervortreten zu lassen.
Am schönsten das Kelten-Römer-Museum in Manching. Mein Besuch dort ist schon ein paar Jahre her. An die Architektur kann ich mich wenig erinnern, dafür mehr an das Ausgestellte. Neu in Zusammenhängen trat längst in ferne Erinnerung verbanntes humanistisches Bildungsgut der Schulzeit auf. Geordnet, dicht verwoben und anschaulich. Wenn Architektur das leistet, dann ist sie gelungen.

Weblinks:
http://www.bez-kock.de/
http://www.fischer-architekten.com/v7/
http://www.museum-manching.de/

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